Folien zur Sitzung am 7.11.2016: Humes Sein-Sollens-Fehlschluss
Die Folien zur 3. Sitzung am 7.11.2016 über Humes Sein-Sollens-Fehlschluss können hier heruntergeladen werden. Enthalten sind darin auch Zitate zu Humes Theorie des moralischen Sinnes (ab S. 213). Die Leifragen für die Sitzung lauten:
- Wie verhält sich nach Hume das Vermögen der Vernunft zur Moral? (S. 204 f.)
- Durch welches Vermögen können Tugenden und Laster (das „Gute“ und das „Böse“) erkannt werden? (S. 204 f./ S. 212)
- Wie verhalten sich nach Hume „Sein“ und „Sollen“ zueinander (S. 211 f.)
- Inwiefern lässt sich Humes Sein-Sollens-Fehlschluss vermeiden?
Weitere Literatur aus aus dem ersten Buch von Humes „Traktat über die menschliche Natur“ kann hier heruntergeladen werden. Hume behandelt darin die Frage, inwiefern wir von unserem eigenen Ich wissen können. Er gerät darüber ganz am Ende des Buches in Verzweiflung.
Auf S. 213 ff. findet sich in Humes Text eine Theorie des moralischen Gefühls. Eventuell ergibt sich in der anschließenden Übung die Möglichkeit, über diese Theorie weiter zu diskutieren.
Die Kernpunkte seiner Theorie stützen sich auf folgende Annahmen.
1. Vernunft kann nicht allein über Tugend und Laster urteilen (S. 212 m.), da die Sittlichkeit viel mehr gefühlt, als denn beurteilt wird.
2. Wenn die Sittlichkeit zuvorderst ein Lust- oder Unlustgefühl ist (S. 213 o.), dann muss bei dem moralisch urteilsfähigen Gefühl, die `Tugend´ angenehm, und das `Laster´ unangenehm sein (S. 212 u.), sonst machte diese Dichotomie der Humischen Unterscheidung, als ein `gut´ vs. ´schlecht´ Wertungsprädikat/-äquivalent für moralische Gefühle (`moral sentiments´) gar keinen Sinn.
[AV zu 2.: gemeint sind hierbei nicht die `affections´, aus dem Buch II „Über die Affekte“, und schon gar nicht die unmittelbaren und sehr heftigen ` passions´, die konkret im dritten Teil „Vom Willen und den unmittelbaren Affekten“, und hier im 3. Abschnitt „Von den Motiven des Willens“, und im 4. Abschnitt „Von den Ursachen der heftigen Affekte“ zu finden sind, denn die `affections´ sind völlig unkontrolliert, und die `passions´ sind sogar impulsiv, sondern gemeint sind dabei, emotions, oder feelings die durch moral reasons abgewogen/beurteilt, zu den `moral sentiments´ konvertieren.]
3. Dieses `angenehm´ oder `unangenehm´, sind ganz besondere Lust- oder Unlustgefühle für deren sittliche Unterscheidung (moralische Beurteilung) es bereits genügt, wenn wir die Gründe aufweisen (S. 213 o.), die uns bei der Betrachtung eines Charakters Befriedigung oder Unbehagen empfinden lassen. Hierdurch wird uns dann auch klar, warum ein Charakter Lob oder Tadel verdient.
4. Er grenzt danach, die allgemeine Lust beim Öffnen einer guten Flasche Wein, oder beim Anhören einer guten musikalischen Komposition, von den besonderen Lust- oder Unlustgefühlen (S. 214 o.), und von den Gefühlen der Sittlichkeit ab, da die durch diese Gefühle erlebte Befriedigung auf konstitutiven Regeln beruht.
[AV zu 4.: hier ist einer der gröbsten Fehler, aus einer Vielzahl von Hume Interpretationen der Gegenwart zu finden, die dabei falsch erhobenen Vorwürfe, lauten `Emotivismus´, `Relativismus´, oder `Subjektivismus´, und sie wären nur im Fall der allgemeinen Geschmackslust, beim Genießen von gutem Wein oder von guter Musik begründet (da es sich nicht um konstituierten Geschmack handelt, sondern der Geschmack individuell variiert), aber nicht beim besonderen Humischen Sittlichkeitsgefühl, denn dessen Normen sind für ihn streng `konstitutiv´, er gliedert dabei die miteinander verknüpften Ebenen des Rechtsgefüges wiefolgt:
4.a) oben: `der Gesellschaftsvertrag´ (Legitimationsgrundlage, für die gesatzten Normen of `justice´);
4.b) mitte: `das positive Recht´ (das gesatzte Recht, abgeurteilt durch unabhängige Gerichte);
4.c) unten: `die sittlichen Normen´ (das Wohlwollen, die Sympathie und die sittliche Billigung, durch andere Mitglieder der Gesellschaft).
Alles zusammen dient dem friedlichen Zusammenleben von Menschen in einer Gemeinschaft, und dabei können, diese besonderen Gefühle der Lust- oder Unlust, die in Sittlichkeitsfragen über angenehm (Tugend) oder unangenehm (Laster) urteilen, bei David Hume nur eingebunden betrachtet werden. Die gegen David Hume sehr häufig erhobene Kritik, des `Non-kognitivismus´, ist nur dann begründet wenn man von Normen- und Werteordnungen erwartet, dass sie zwar innerhalb der Gesellschaft, aber dennoch, völlig unabhängig von besonderen konstitutiven Regeln bestehen könnten, und so auch legitimierbar sein müssten (objektiv, statt intersubjektiv.]
5. Gültige (akzeptierte) Normen und Werteordnungen, erzeugen nach David Hume notwendigerweise ein Pflichtgefühl, und daher muss, die zugrundeliegende Norm unabhängig sein damit sie das Pflichtgefühl, auch legitimiert begründen kann.
[AV zu 5.: bei den konstitutiv gesatzten, und somit legitim erlassenen Gesetzen, ist das der Gehorsam als die rechtspositive Pflicht für ein `has to do´, und bei diesen, durch gute Gründe gestützten ganz besonderen Sittlichkeitsgefühlen, ist das die von der Gesellschaft (von den Anderen) eingeforderte Pflicht zur Tugend, und zur Lastervermeidung, also für ein `ought to do.´]
6. Die konstituierte Natur, des Humischen Gesellschaftsvertrages (der sich von John Locke, oder Thomas Hobbes deutlich unterscheidet), finden wir auf S. 249 u. & 250 o.:
„Der Besitz aller äußeren Güter ist an sich wandelbar und unsicher; dies ist eines der bedeutsamsten Hindernisse bei der Bildung der Gesellschaft. Es ist andererseits der Grund, weshalb sich Menschen vermöge eines allgemeinen, ausgesprochenen oder stillschweigenden Einverständnisses, durch das, was wir jetzt Rechtsnormen (AV: rechtspositive Gesetze) und Normen der Billigkeit nennen (AV: die sittlich-moralischen Normen), wechselseitig binden.“
7. Die statuierte, oder implementierte Natur des Humischen Gesellschaftsvertrages, als ein wechselseitiges Versprechen, finden wir auf den beiden Seiten:
7.1. (S. 262 u.) „Die Sittenregel, welche die Ausführung von Versprechungen einschärft, ist nicht `natürlich.´ Dies erhellt zur Genüge aus zwei Sätzen, die ich beweisen werden, nämlich, dass ein Versprechen keinen Sinn hat, ehe menschliches Übereinkommen ihm einen solchen gegeben hat und dass das Versprechen, wenn es nicht sinnlos wäre, doch [ohne dies Übereinkommen] keine sittliche Verbindlichkeit nach sich ziehen würde.“ (…)
7.2. (S. 263 m.) „Ist aber der Geistesakt, der bei einem Versprechen vorliegt und dessen Verpflichtung erzeugt, weder Entschluss, noch Wunsch, noch Wille zu einer bestimmten Handlung, so muss er notwendigerweise im Willen zu der Verpflichtung bestehen, die aus dem Versprechen hervorgeht. Dies ist nicht etwa bloß eine philosophische Deduktion, sondern etwas, das unserer gewöhnlichen Denk- und Ausdrucksweise entspricht. Wir geben diesen Sachverhalt zu erkennen, wenn wir etwa sagen, dass wir durch unsere eigene Zustimmung gebunden sind und dass die Verpflichtung aus unserem bloßen Wollen und Belieben entsteht.“
[AV zu 7.: hier ist der zentrale Unterschied zu Immanuel Kant, I. Kant versteht die Achtung vor dem Gesetz, zwar auch als ein verbindliches Versprechen, aber er begründet, die daraus resultierende Verpflichtung ganz allein, und nur aus sich heraus, denn bei ihm führt der Gute Wille (ohne weitere Triebfeder) zusammen mit dem Gesetz in mir, als Maxime meiner Selbstliebe, die auch auf die Glückseligkeit anderer zu erweitern ist (aus Achtung vor dem Gesetz), unweigerlich zum Handeln aus Pflicht; Quelle: Kant, I., KpV, 1. T., 1. B., 1. Hauptstück – Grundsätze – §8 Lehrsatz IV, Anmerkung I, S. 47, Verlag: Felix Meiner, Hamburg; hingegen bei David Hume ist das völlig anders, denn, er braucht zwingend eine äußere Legitimation durch konstituierte Normen, um das Bestehen von legitimen Verpflichtungen, aus dem konstitutiven, mittels `stillschweigender´ Übereinkunft (Vertragstheorie) gegebenen Versprechen zu begründen.]
8. Die gewöhnliche Definition der `Rechtlichkeit´ [oder des Rechtssinns] stützt er, auf seine Wortformel von S. 275 o. ab, und auf des Volkes Wille (also nicht natürlich, sondern konstitutiv) auf S. 319 o.:
Seine Wortformel lautet: „Man definiert sie (die `Rechtlichkeit´) als einen konstanten und immerwährenden Willen, jedem das zu geben, was ihm zukommt.“
Die Legitimationsformel dazu lautet: „Da alles, was auch nur im geringsten Grade die Einbildungskraft in Anspruch nimmt, auf das Urteil des Volkes einwirkt, so ist es ein Beweis für die Weisheit der Gesetze und des Parlaments, wenn sie diesen Umstand benutzen und die Obrigkeit innerhalb oder außerhalb einer Dynastie wählen, je nach dem die Menge naturgemäß geneigt ist, ihr Autorität und Recht zuzuerkennen oder nicht.“
[AV zu 9.: Es handelt sich hier um eine Anspielung, von David Hume, auf die Thronbesteigung von Maria II und Wilhelm III. `Prinz von Oranien´, die alle beide zuerst dem Parlament die volle Souveränität zuerkennen mussten (durch beider Unterschriften unter die `Bill of Rights´, am 22. Januar 1689), bevor sie danach, im Rahmen eine Doppelkrönung (in der `Westminster Abbey´, am 11. April 1689) auch beide gemeinsam den Thron bestiegen, und seither bilden England, Schottland und Irland (später dann Großbritannien), die älteste respräsentative Demokratie der Moderne (konstitutive Monarchie, also ein König ohne Regierungsgewalt und daher, ein Parlament mit voller Souveränität); vielleicht versteht sich vor diesem Hintergrund etwas besser, warum er nicht nur bei den erlassenen Gesetzen (bei den rechtspositiven Normen), sondern, genauso auch beim Sittlichkeitsurteil (bei moralischen Gefühlen), auf die konstitutive Einwilligung aller gleichberechtigten Gesellschaftsmitglieder beharrt; für Immanuel Kant, ist es ganz und gar unvorstellbar, dass der amtierende preußische König freiwillig seine Regierungsgewalt abgeben könnte, oder gar sollte, und deshalb, ist auch das Konstituieren von Sittlichkeitsnormen für ihn nichts weiter als ein Hirngespinst; siehe dazu: „Über den Gemeinspruch – Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis“, 1793, der Teil II „Vom Verhältnis der Theorie zur Praxis im Staatsrecht“ (gegen Hobbes), Verlag: Vittorio Klostermann, Frankfurt, S. 39-60.]
9. Auf der Seite 369 u. hebt David Hume, den traditionellen Unterschied zwischen den natürlichen Anlagen, und seinen sittlichen Tugenden auf, und distanziert sich so, mit seiner eigenen Tugendlehre von Aristoteles, jedoch ohne diesen dabei namentlich zu erwähnen:
„Zu den üblichsten Unterscheidungen in den ethischen Theorien gehört die zwischen natürlichen Anlagen und sittlichen Tugenden. Dabei stellt man die ersteren den körperlichen Fähigkeiten gleich und nimmt demgemäß an, dass kein Verdienst oder sittlicher Wert ihnen anhafte. Wer sich aber die Sache genau ansieht, wird finden, dass ein Streit hierüber nur ein Wortstreit wäre, und dass natürliche Anlagen und sittliche Tugenden, wenn sie auch nicht ganz gleichartig sind, doch in den wesentlichen Umständen übereinstimmen.“
10. Auf der 371 m. bereitet er, mit seiner dreifach gegeneinander abgewogenen Einstufung, von den sittlisch urteilsfähigen Gefühlen (`moral sentiments´), seine systematische Ausarbeitung in „Eine Untersuchung über die Prinzipien der Moral (1751)“ von Sittlichkeitsgefühlen (Lust- oder Unlustgefühl), als moralisch gefühltes Tugendurteil vor (das Gefühl ist zum einen mir nützlich, und zum anderen ist das Gefühl beidseitig, also mir, genauso wie den anderen angenehm, oder nicht):
„Wissen und gesunder Menschenverstand werden geschätzt, weil sie der Person, die sie besitzt nützlich sind (1. Kriterium `Nützlichkeit für mich´), Witz und Beredsamkeit, weil sie für andere unmittelbar angenehm sind (2. Kriterium `Angenehm sein für andere´). Und gute Laune wird geliebt und geschätzt, weil sie für die Person selbst unmittelbar angenehm ist (3. Kriterium `Angenehm sein für mich´).“
Schlussbemerkungen:
I. David Hume hält gar nix von mönchischen Tugenden (`monkish virtues´), und genausowenig, wie er die kirchlich verordnete Askese mochte, genausowenig würde er, auch diesen Kantischen Pflichtbegriff (`ohne weitere Triebfeder´) mögen.
II. Handlungen werden bei ihm nicht automatisch dadurch moralischer, nur weil sie uns selbst, unangenehm sind, sondern Normen, und moralische Forderungen sind bei ihm erst dann gerechtfertigt, wenn so dem friedlichen Miteinander der Gemeinschaftsmitglieder, in dieser konstituierten Gesellschaft genutzt ist.
III. Seine moralische Urteilswage hat insgesamt vier Gewichtungsparameter, die ihrerseits, auf jede der drei moralischen Dimensionen abstrahlen, und die alle drei im „Traktat über die menschliche Natur“ namentlich vorgestellt wurden, die aber erst in „Eine Untersuchung über die Prinzipien der Moral“, systematisch, als ein 4×3 Design, für drei verschiedene Gefühlsklassen ausgearbeitet sind:
III.1. Die vier Humischen Gewichtungsparameter lauten:
III.1.1. „Von dem Wohlwollen“
III.1.2. „Von der Gerechtigkeit“
III.1.3. „Von der bürgerlichen Gesellschaft“
III.1.4. „Warum Nützlichkeit gefällt“
III.2. Die drei Humischen Gefühlsklassen lauten:
III.2.1. „Von Eigenschaften, die uns selbst nützlich sind“
III.2.2. „Von den Eigenschaften, die uns selbst unmittelbar angenehm sind“
III.2.3. „Von Eigenschaften, die anderen unmittelbar angenehm sind“
Vielen Dank für die weiterführenden Anmerkungen. Zu Punkt 4: Ich bin der Meinung, dass Humes Nonkognitivismus nicht einen „konstitutiven“ oder „objektiven“ moralischen Sinn ausschließt (ebenso wie ein „Emotivismus“ dies nicht unbedingt tut). Nur ist es auf Basis einer moral sense verwandten Theorie, wie Humes Theorie sie ist, schwierig, die Objektivität von Moral zu begründen. Dies haben wir ja auch in der Tabelle der Sitzung vom 7.11. diskutiert.
In der Übung kam die Frage auf, wo Hume von einem „moral sense“ bzw. einem „moralischen Sinn“ spricht. Er tut dies zu Beginn des zweiten Abschnitts des 1. Buchs seines „Traktats“, der überschrieben ist mit „Sittliche Unterscheidungen entspringen aus einem moralischen Sinn“. Entscheided dafür ist folgender Satz: „Sittlichkeit wird also mehr gefühlt als beurteilt“. Eine weitere Passage findet sich im selben Werk auf S. 226: „Da keine Handlung löblich oder tadelnswert sein kann, ohne Motive oder treibende Affekte, die sich von dem moralischen Sinn unterscheiden, so müssen diese besonderen Affekte einen großen Einfluß auf diesen moralischen Sinn haben.“ Eine weitere, sehr aufschlussreiche Passage findet sich in der deutschen Ausgabe auf S. 373. Dort werden moralischer Sinn und Vernunft (bzw. „Gründe“) in ein Verhältnis gesetzt: „Wenig Kenntnis des menschlichen Tuns und Lassens genügt, um zu zeigen, daß der Sinn für das Sittliche ein der Seele innewohnendes Prinzip ist und eines der mächtigsten, das sich in ihrer Organisation findet Aber dieser Sinn gewinnt erhöhte Stärke, wenn derselbe bei der Reflexion über sich selbst auch die Gründe billigen muß, auf denen er beruht, d. L wenn er in seinem Fundament und Ursprung nur Großes und Gutes findet Diejenigen, die den Sinn für das Sittliche auf ursprüngliche Instinkte des menschlichen Geistes zurückführen, mögen für die Statuierung dieser Ursache der Tugend genügend sichere Argumente haben; aber es fehlt ihnen der Vorteil, den diejenigen haben, die jenen Sinn aus dem extensiven Mitgefühl mit der Menschheit erklären. Diese letztere Theorie läßt nicht nur die Tugend, sondern auch den Sinn für Tugend lobenswert erscheinen; und nicht nur diesen Sinn, sondern auch die Faktoren, aus denen er abgeleitet wird. Sie operiert so mit nichts, das nicht lobenswert und gut wäre.“
Vielen Dank für Ihren detaillierten Kommentar, Herr Dr. Noller. Ich werde in meiner Antwort versuchen, so gut ich kann, auf diese möglichen Einordnungsbegriffe einzugehen. Ich denke aber generell, und sehr allgemein, dass ein wertend aufgedrücktes Label (eine Schublade) den direkten Blick, auf die darunter liegende, Inhalte nicht erleichtert.
Nichts destotrotz haben Sie mir, dankenswerter Weise, viele Einordnungsmöglichkeiten für Ihre persönliche Verwendung dieser Begriffe geboten, mit denen ich, entweder angelehnt an diese Begriffe, versuchen kann meine Sicht auf David Hume „How to deduct ought from is“, selbst kompatibel zu machen, oder aber um in Opposition zu G. E. Moore Kap. II „Naturalistische Ethik“ zu gehen und zu John. R. Searle, und dafür dann, lieber Partei zu ergreifen für R. M. Hare; diese beiden Aufsätze, sind entnommen, aus einer der drei hier im Wiki-Seminar (unter `Materialien´) verlinkten Dozenten-Quellen;
W. D. Hudson (ed.), 1969, Titel: „The Is-Ought Question“, Kap. XII, S. 120, J. R. Searle „How to derive ought from is“, und Kap. XIV, S. 144, R. M. „The promising game“
Zu Ihrer konkreten Frage, aus der Info-Email, nach den „Möglichen, oder denkbaren Beispielen für einen `sein-sollens Fehlschluss´“, bei David Hume?
In dieser Frage sind vorab, bereits sehr viele Vorannahmen drin: 1. Wir brauchen einen, von zwei möglichen `sein-sollens Schlüssen´, und zwar nicht, den `sollen kann aus dem sein direkt abgeleitet werden´ Schluss, sondern den, `sollen kann aus dem sein nicht direkt abgeleitet werden´ Schluss, der letzte dieser beiden Schlüsse, wird David Hume schon seit sehr langer Zeit zugerechnet (ca. 250 Jahre), und der erste dieser beiden Schlüsse `sollen kann aus dem sein direkt abgeleitet werden´, soll nach Auffassung von G. E. Moore immer fehlerhaft sein (ca. 100 Jahre). => Er nennt es daher: „The Naturalistic Fallacy“, entn. aus seiner „Principia Ethica (1903)“, er nimmt aber, in seinem Werk, auf David Hume gar keinen direkten Bezug das hat sich erst später, verselbstständigt, durch die Interpretatoren:
1. Was ist der `Naturalistische Schluss?´
Der Versuch das Gute als eine bestimmte deskriptive, natürliche oder metaphysische Eigenschaft oder Relation zu definieren.
2. Will David Hume das Gute als eine bestimmte deskriptive, natürliche oder metaphysische Eigenschaft oder Relation definieren?
Ich denke nein, denn „dies `sollte´ oder `sollte nicht´ drückt eine neue Beziehung oder Behauptung aus, muss also notwendigerweise beachtet und erklärt werden. Gleichzeitig muss ein Grund angegeben werden für etwas, (…).“
Eine bestimmte deskriptive, natürliche oder Metaphysische Eigenschaft oder Relation, für das Gute, wo das `sollen´ direkt, vom `sein´ deduktiv abgeleitet werden kann, die müsste gar nicht notwendigerweise beachtet und erklärt, und danach separat begründet werden, da sich das `sollen´ allein aus dem `sein´ ergibt.
3. Zieht David Hume (selbst) den `naturalistischen Schluss´? => Nein, denn die neue Beziehung für `sollte´ oder `sollte nicht´, muss beachtet, erklärt und begründet werden. => Ist also nicht natürlich!
4. Könnte G. E. Moore, David Hume gemeint, also dennoch ihn mit angesprochen haben (neben den vielen anderen), ohne dabei seinen Namen direkt zu erwähnen? => Diese Frage könnte nur er selbst beantworten, allerdings wäre der konkrete Vorwurf gegenüber David Hume, dennoch, diesen naturalistischen Fehlschluss begangen zu haben, nur dann logisch begründbar, wenn G. E. Moore annehmen würde, dass die konstitutiv verpflichtende Sittlichkeit von David Hume, also sein gesellschaftsvertraglich versprochener wechselseitiger Tugendanspruch für den Bürgerfrieden, und das Gemeinwohl, eine bestimmte deskriptive, natürliche oder metaphysische Eigenschaft oder Relation sei, die diesen Tugendanspruch `normativ´ begründet? => Das halte ich für unwahrscheinlich.
5. Wie sehe ich die Sache, losgelöst von anderen Stimmen zum Thema?
5.1. Für mich hat David Hume den `Naturalistischen Schluss´ nicht gezogen.
5.2. Dagegen hat er den „Anti-Naturalistischen Schluss“ selbst gezogen, aber dieser ist kein Fehlschluss.
5.3. Weshalb ich mittlerweile, auch von psychologischen Erklärungsversuchen abgegrückt bin (bspw. Alex Walter, 2006, „The Anti-naturalistic Fallacy: Evoluntionary Moral Psychology and the Insistence of Brut Facts“), zum einen gefällt mir, seine konkrete Bezugnahme zu Charles Darwin nicht (`survival of the fittest´ klingt für mich nicht moralisch), und zum anderen, möchte ich die David Hume-Frage unbedingt gern in der Philosophie behalten, selbst dann, wenn sie nur als abschreckendes Beispiel dafür dient, welche Probleme die vielen Interpretatoren gesehen haben (oder gar verursacht?), von denen wir, gar nicht wissen können, ob der Orginal-Autor vergleichbare Gedanken zu seinen Lebzeiten auch hatte, oder wie er, darauf im Fall einer konkreten Frage, selbst geantwortet hätte.
=> Zu Ihren (Einordnungs-)Hinweisen, im Kommentar obendrüber:
6. Zum einen kann ich sehen, dass dem Nonkognitismus einer Standardeinführung zu Folge, diese beiden Wege der Erkenntnistheorie, 1. Skeptizismus (Hume) und 2. Idealismus (Empirismus) zugerechnet werden, und die alle beide, zu weilen auch als `Antirealismus´ klassifiziert werden. Beim gemäßigtem Skeptizismus (soweit man dabei die gemäßigte Methode, der skeptischen Schule im Hinterkopf hat, also ein rein sachliches Prüfen, durch äußern von Zweifeln, ist der direkte Bezug zu David Hume offensichtlich, denn, er bezeichnet sich selbst im „Treatise on Human Nature“, wiederholt als einen gemäßigten Skeptiker, aber die Zuordnung zum Empirismus wäre auch zutreffend, und insofern, bin ich mit Ihnen d´accord, „David Hume ist ein Nonkognitivist!“
Die Frage die sich für mich abgeleitet davon stellt, kommt ursprünglich von John R. Searle (Anfang Juni), der in seiner öffetlichen Vorlesung, im Rahmen des Masterkurses (Donnerstag Abend) sich selbst, als einen `Ontologischen Realisten´ bezeichnet hat, und zur näheren Erläuterung, dessen, unterschied er dichotom die `beobachterabhängigen Wahrheiten´, von den `beobachterunabhängigen Wahrheiten´ und erklärte uns dann am Beispiel eines 10 Euro-Scheins, was eine `ontologische Realität´ bei den beobachterabhängigen Wahrheiten ist, beobachterunabhängig wäre dies nur ein Stück Papier, aber durch seinen Hintergrund (das Münzregal, und die Notenbankbesicherung), sowie, durch den allgemeinen Hintergrundsinn (also unser aller Verständnis davon, welche Kaufkraft, solch ein 10 Euro-Schein hat), wird er durch Vollzug zur ontologischen Realität (in dem der Bäcker ihn entgegenimmt, und dafür die Brötchen, sowie das Wechselgeld zurückgibt). => Das nennt John R. Searle daher, einen gelungenen Handlungsvollzug aufgrund einer konstitutiven Regel, d. h., wenn alle dieses Spiel mitmachen, dann wird so, aus diesem fetzen Papier ein 10 Euro-Schein mit der entsprechenden Kaufkraft, also eine `ontologische Realität´
=> Wenn man Realismus, konstituieren kann, warum sollte David Hume dann `Antirealist´ sein?
7. Zum anderen wurde der Emotivismus, erst angeregt durch den Wiener Kreis (150 Jahre nach Hume), das schliesst zwar nicht generell aus, dass man ihn dieser Eigenschafts- oder Einordnungsklasse zurechnen könnte, aber David Hume würde, die Zuordnung moralisches Urteil aufgrund einer individuellen emotionalen Einstellung, mit gutem Recht ablehnen, und weil er mit der Begründung von selbstreflexiver Intersubjektivität, also mit dem Verweis auf, eine kollektive (nicht individuelle) emotionale Einstellung insistieren würde (heute würde man, wohl `kommunitarisch´ dazu sagen, angelehnt an M. Sandel).
8. Die Tugendtraditionen des `Moral-Sense´ würde er für sich gelten lassen (angelehnt an A. Shaftesbury, und F. Hutchinson, später A. Smith), hier exemplarisch, ein Erläuterungsbeispiel dazu:
Shaftesbury, Anthony A.C., 1711, „Characteristics of Man, Manners, Opinions, Times“
Besondere Inhalte/Grundannahmen:
8.1. In Abkehr von der Lehre Hobbes’ und Lockes: Versuch der Erneuerung des Gedanken eines „von Natur aus Guten“ (mere goodness). Sittlichkeit gehöre zur natürlichen Ausstattung des Menschen.
8.2. System der Affekte als die „Organisationsform“ des Menschen als soziales Wesen.
8.3.Tugendhaftes (moralisches) Handeln werde durch Einsicht in das von Natur aus Gute möglich (Prolepsis).
8.4. Das auf Einsicht beruhende Wissen unterscheidet sich von theoretischem Wissen; es werde durch einen „moral sense“ erworben.
8.5. Der moral sense ermögliche absolut gültige moralische Urteile.
8.6. Gemeinschaftssinn besiege Egoismus
9. Allerdings würde er eine, ganz spezifische Untugendtradition der `Moral Sense´- Philosophie, vehement ablehnen, und auch nicht in diesem Kontext genannt werden wollen:
Mandeville, Bernard de, 1714, „Die Bienenfabel oder private Laster als gesellschaftliche Vorteile“
Besondere Inhalte/Grundannahmen:
Seine Ausgangsfrage ist: „Welche Antriebskräfte leiten den Menschen in seinem Handeln?“
9.1. Selbsterhaltung und Selbstschätzung (self-liking) als anthroplogische Grundmotive.
9.2. Handeln richtet sich stets am Interesse der Befriedigung von Bedürfnissen aus.
9.3. Die Wertschätzung des eigenen Selbst ist abhängig von der Wertschätzung, die andere uns entgegenbringen.
9.4. Normen und Werte sind nicht absolut, sondern wandelbar. Sie bedienen sowohl die Tugenden als auch die Laster.
9.5. Egoistische Motive (Laster) sind die einzige Antriebskraft für individuelles ökonomisches Handeln.
9.6. Auch wenn die Laster den Intentionen der Gesellschaft zuwiderlaufen, befördern sie realiter deren Interessen.
9.7. Das Gute erscheint nicht als intendierte Folge tugendhaften Handelns, sondern als nichtintendierte Folge lasterhaften Handelns (Private vices -public benefits)
Bei den Punkten 9.4. bis 9.7., von Bernhard de Mandeville würde ihm speiübelschlecht werden, wenn er, selbst, nur allein durch dieses eine Stichwort `Moral-Sense´- Philosophie, dem Kontext dieser Bienenfabel zugerechnet werden würde! Was vielleicht auch, der Grund dafür sein könnte, warum er bei der Ausstattung (beim Gefühlsvermögen) von `Moral-Sense´ spricht, aber beim tatsächlichen Vollzug (bei der tatsächlichen ethisch gefühlten Beurteilung), reflektiert durch seine `Moral-Reasons´, nur noch von den `Moral-Sentiments´ spricht.
10. Der `Moral-Sense´ ganz allein, und nur für sich genommen, der ist individuell denn als antisoziales Wesen kann es mir völlig egal sein, was die anderen, von mir denken.
10.1. Das entspricht aber nicht dem Gesellschaftsbild, das David Hume damals vor Augen geschwebt hat, und das gekennzeichnet ist, durch konstituierte Normen die als vertragliche, und somit als (selbst-)verpflichtende Versprechungen (durch stillschweigende Einwilligung), gegenüber, allen anderen Gesellschaftsmitgliedern gelten.
10.2. Für ihn ist Intersubjektivität eine Form von Objektivierung.
11. Popper unterscheidet noch zwischen Wahrheit (objektiv, können wir nicht wissen), und der Gewissheit (subjektiv, können wir durch sorgfältiges Abwägen herausfinden, und möglichst vielen Bewährungsprüfungen unterziehen, aber dabei nie endgültig `Verifizieren´ sondern nur, im Falle von Scheitern `Falsifizieren´).
11.1. Ich denke dass man mit Karl R. Popper, David Hume grundsätzlich sehr gut näher kommen kann, denn Karl Popper hat selbst den `Kritischen Rationalismus´ begründet, und gekennzeichnete `Kritik´ verweist hier auf die skeptische Schule, allerdings, sieht Popper seine Form der Kritik dem Rationalismus nahe, und Hume seine Form der Kritik dem Empirismus, da bliebe mir nur noch die Mutmaßung, dass der Empirismus und der Rationalismus, offensichtlich, nicht immer, völlig unverträgliche Gegensätze sein müssen.
11.2. Die Methode der hypothetischen `Intersubjektion´, von David Hume, und Adam Smith findet heute in der gerichtlichen Urteilsfindung, besonders, starken Widerhall.
11.3. Zwar ist die Bandbreite des Strafmaßes, für eine bestimmte Tat (begangene) bereits bekannt, aber für den Ermessensspielraum führt der vorsitzende Richter, eine `Intersubjektion´ durch (dabei fragt er sich, ob der Angeklagte normal intelligent, und normal sozialisiert ist), und nennt dann seine, durch diese Abwägung erzeugte hypothetische Referenz, den `Objektiven Dritten´ (das scheint mir, Anleihen, beim `unparteiischen Dritten´, von Adam Smith zu nehmen)
11.4. Offensichtlich unterscheiden sich die konkreten Vorstellungen, davon was `Objektiv´ nun ist, oder was, zumindest, näherungsweise so bezeichnet werden könnte, bisweilen recht deutlich.
12. Der konkrete Charakter des Humischen Skeptizismus.
„(…) Philosophieren mit ‚mäßigen Zweifeln‘ sei dennoch möglich, wenn man akzeptiere, dass menschliche Kenntnisse und Fähigkeiten entsprechend der menschlichen Natur immer dem Irrtum unterworfen sind. Für dieses skeptische Philosophieren empfiehlt Hume, sich in unparteiischem Urteilen zu üben, sich von anerzogenen oder abwertenden Vorurteilen frei zu machen und mit klaren und nachvollziehbaren Anfangsgründen zu beginnen. Ferner in umsichtiger und behutsamer Weise vorzugehen, die eigenen Überlegungen immer und immer wieder zu überprüfen und die Folgen dieser Überlegungen sorgfältig zu überdenken. (…)“
Mein Thema in diesem Beitrag lautet: „Welchen Anteil (welches Verschulden) hat David Hume selbst daran, in weiten Teilen der Rezeptionsgeschichte, missinterpretiert dargestellt zu werden?“
Ich greife dafür einige Thesen von meinem obigen Beitrag auf, und beleuchte die Aussagen von mir, hier sehr persönlich (kommentiert) und mit der Hilfe des „Brief eines Edelmannes an seinen Freund“, um so (hoffentlich), ein besseres Tiefenverständnis zu Humes Denken, und zu den Einordnungsnotwendigkeiten für die zumeist aus dem Zusammenhang gerissenen präsentierten Populärzitate zu erreichen, bevor ich dann in einem späteren Beitrag, abgestützt auf den „Treatise on Human Nature“, die beiden bekanntesten Bonmots von David Hume „Reason is and ought only to be…“, sowie „Dies sollte oder sollte nicht drückt eine neue Beziehung aus…“, betont sachorientiert einordnen werde.
Mein Ziel in diesem Beitrag ist es Vorbereitungen zu treffen, um dann später anhand, dieser o.g. beiden Populärzitate R.M. Hare mit seiner Auslegung von David Hume „Hume commits himself here to a non-propositional or noncognitivist view of moral judgement – …“ (SEP/R.Cohon „Hume´s Moral Philosophy“) zu widerlegen, und daran anschließend, Rachel Cohon mit ihrer eigenen Auffassung „Other Interpreters – the more cognitivist ones – see the paragraph about `is´ and `ought´ as doing none of the above.“ (ebd.) zu bestätigen, und ihre Interpretation mit Annette C. Baier und Philippa Foot zu unterstützen, um mich danach selbst, der Auffassung dieser drei Damen anzuschließen (auch die von David Wiggins), nämlich dass David Hume ein Kognitivist sei. => Für all das brauche ich ein besonderes Tiefenverständnis von Hume´s Denken, Artikulieren, und Polemisieren, das ich in diesem Beitrag vorbereiten möchte.
I. Meine erste Kritik an Hume: – Er polemisiert, paraphrasiert und ironisiert dort, wo er sich missverstanden fühlt und er bewirkt dadurch in Teilen selbst, den ungewollten Beliebigkeits-Status in sehr `häufig rezipierten´ Interpretationen (e.g. A.J. Ayer, 1936, „Language, Truth and Logic“ , oder R.M. Hare, 1969, „Descriptivism“, ed. W.D. Hudson „Is-Ought Question“, Verlag: Macmillian & Co., London, GB) zu seinen `sachorientierten´ wissenschaftlichen Inhalten. –
Erläuterungsbeispiel zur ersten Kritik:
„Ich habe mich der Feindschaft aller Metaphysiker, Logiker, Mathematiker, ja der Theologen preisgegeben… Schaue ich in mich, so finde ich nichts als Zweifel und Unwissenheit. Alle Welt ist im Bunde, mir zu opponieren und zu widersprechen; und meine Schwäche ist, dass ich alle meine Thesen und Behauptungen sich auflösen und in sich zusammenfallen fühle, wenn andere ihnen nicht beipflichten.“
1.1. Hat David Hume Zweifel und Unwissenheit zu seinen Theorien? => Nein.
1.2. Warum schreibt er denn oben davon?
1.2.1. Er stellt fest dass alle Welt (die vorherrschende Lehre) im Bunde ist ihm zu widersprechen.
1.2.2. Er zeigt auf dass Lob und Anerkennung (ihm beipflichten) von den Metaphysikern, den Logikern, den Mathematikern, und den Theologen nicht zu erwarten ist (d.h. die komplette vorherrschende Lehre seiner Zeit stellt sich gegen ihn).
1.2.3. Da David Hume selbst in seiner Erkenntnistheorie einen inferenzstatistischen Wertmaßstab pflegt („relations of ideas“ werden gegeneinander abgewogen, um die „idea of belief“ zu erzeugen), wäre nun die logische Konsequenz, dass er von seiner eignen Theorie Abstand nimmt, weil die vorherrschende Mehrheit ihm ohne Ausnahme widerspricht (statistisch ein sehr schlechtes Zeichen).
1.2.4. Er zweifelt nicht an seiner Theorie, deshalb veröffentlicht er sie ja, und verteidigt sie später vehement.
1.2.5. Er müsste aber von Zweifeln geplagt sein (alle sind gegen mich).
=> Deshalb polemisiert er: „Wenn ich auf die anderen hören würde (in mich schaue), die mir alle opponieren und nicht beipflichten wollen, dann müsste ich eigentlich ernste Zweifel und Unwissenheit (Misstrauen) an meiner Theorie haben, habe ich aber nicht, deshalb veröffentliche und verteidige ich sie ja.“
II. Meine zweite Kritik an David Hume: – Er leistet selbst dem Skeptizismus-Vorwurf Vorschub, dadurch dass er sich selbst als Skeptiker bezeichnet, ohne dabei genügend einzuordnen dass es nicht um den radikalen, sondern um den gemäßigten (in Teilen sehr konstruktiven) Skeptizismus geht. –
Erläuterungsbeispiel zur zweiten Kritik:
„In Wirklichkeit ist es doch so, dass ein Philosoph, der vorgibt, die Maximen des gemeinen Verstandes oder gar das Zeugnis seiner Sinne zu bezweifeln, eben dadurch genügend deutlich macht, dass er nicht im Ernst spricht und dass er nicht daran ist, eine neue Theorie zu verbreiten und neue Regeln für Urteil und Handlungen zu propagieren. Alles was er mit seinen skeptischen Einwürfen im Sinn hat, ist, den Stolz der reinen Vernünftler zu mäßigen. (…) Bescheidenheit und Demut, was unsere natürlichen Fähigkeiten anlangt, sind das Ergebnis des Skeptizismus, nicht universeller Zweifel, den doch niemand aufrechterhalten kann und den das geringste Ereignis im Leben sofort aufheben und zunichte machen muss.“
II.1. Ist David Hume ein radikaler Skeptiker? => Nein.
II.2. Wie sieht er den radikalen Skeptizismus?
II.2.1. Wer als Philosoph vorgibt, die Maximen des gemeinen Verstandes oder gar das Zeugnis seiner Sinne zu bezweifeln, der spricht nicht im Ernst.
II.3. Warum sagt er denn so etwas an anderer Stelle?
II.3.1. Sein Ziel ist `lediglich´ den Stolz der Vernünftler zu mäßigen, und er hofft darauf, dass die Intentionen seiner skeptischen Einwände genauso eingeordnet werden, wie auch nachfolgend, die Intentionen seiner konstruktiven (positiven) Anmerkung eingeordnet werden müssen, um dann im Zusammenwirken von beidem („critical phase & constructive phase“), den dialektischen Ansatz (den ausgewogenen `neutralen´ Ansatz) seiner Erkenntnisbegründung offen zu legen.
II.4. Wie grenzt er seinen eigenen gemäßigten Skeptizismus (rationaler Skeptizismus), von dem radikalen Skeptizismus (anti-rationaler Skeptizismus) anderer Autoren ab?
II.4.1. Er möchte zwar Bescheidenheit und Demut bezogen auf unsere natürlichen Fähigkeiten bewirken, aber dabei, dennoch nicht, universelles Zweifeln postulieren.
II.5. Warum ist diese Position von David Hume, als „Kritisch Rational“ einzustufen, und gibt uns damit den ersten Hinweis für Kognitivismus?
II.5.1. Mein erster (Begründungs-)Schritt hierbei, ist die systematische Einordnung, der skeptischen Schule anhand ihrer 2500 Jährigen Tradition mit der Hilfe von Karl R. Popper.
„Diese Tradition wird manchmal als die der skeptische Schule bezeichnet. Aber diese Bezeichnung kann leicht zu Missverständnissen führen. Dudens deutsches Wörterbuch erklärt `Skepsis´ und `Zweifel, Ungläubigkeit´, und `Skeptiker´ als `misstrauischer Mensch´; und das ist offenbar die deutsche Bedeutung des Wortes, und die moderne Bedeutung überhaupt. Aber das griechische Verb, von dem sich die deutsche Wortfamilie (skeptisch, Skeptiker, Skeptizismus) herleitet, bedeutet ursprünglich nicht `zweifeln´, sondern `prüfen, erwägen, untersuchen, suchen, forschen´.
II.5.2. Mein zweiter (Begründungs-)Schritt hierbei, ist das Aufzeigen von Erkenntnis-folgen aus diesem gemäßigten (streng rationalen) Skeptizismus, um dann im dritten Schritt zum `Kritischen Rationalismus´ und zum `Kritischen Pluralismus´ überzuleiten.
„Auch heute noch gibt es viele Philosophen, die denken, dass die Wahrheit nur dann von Bedeutung für uns sein kann, wenn wir sie besitzen; also wenn wir sie mit Sicherheit wissen. Aber gerade das Wissen um die Tatsache, dass es Vermutungs-wissen gibt, ist von großer Bedeutung. Es gibt Wahrheiten, denen wir nur in mühevollem Suchen näherkommen können. Unser Weg führt fast immer durch den Irrtum; und ohne Wahrheit kann es keinen Irrtum geben. (Und ohne Irrtum gibt es keine Fehlbarkeit.)“
II.5.3. Mein dritter (Begründungs-)Schritt liegt darin, berühmte Vorläufer von David Hume zu benennen, um so aufzuzeigen, dass er sich mit seinem gemäßigtem (streng rationalen) Skeptizismus, philosophisch, in sehr guter Gesellschaft befindet.
„Xenophanes war der Gründer einer Tradition, einer Denkrichtung, zu der unter anderen Sokrates, Montaigne, Erasmus, Voltaire, Hume, Lessing und Kant gehörten.
Diese Tradition wird manchmal als die der skeptischen Schule bezeichnet.“
[AdV.: hier wird Hume von Popper sogar namentlich erwähnt, und so vom Begründer des „Kritischen Rationalismus“ („Logik der Forschung“, 1931) als Rationalist eingeordnet.]
„Aber auch die Idee der intellektuellen Bescheidenheit wurde fast eben solang vorweggenommen. Sie stammt von Sokrates.
Sokrates war der zweite und viel einflussreichere Gründer der skeptischen Tradition. Er lehrte: Nur der ist weise, der weiß, dass er es nicht ist.“
[AdV.: in obigem Hume-Zitat (II.) gibt er Bescheidenheit und Demut, als angestrebtes Erkenntnisziel, für unsere natürlichen Fähigkeiten aus und er befindet sich damit in sokratischer Tradition. => Nicht zu vergessen ist hierbei, dass David Hume auch Historiker war und er insofern, die skeptische Schule sehr gut kannte, anders als etwa A.J. Ayer, oder R.M. Hare die mit Verlaub, von den fundamental notwendigen Kenntnissen in der Philosophiegeschichte, erkennbarer Weise `Null Ahnung´ haben.]
II.5.4. Abschließen möchte ich mein (leidenschaftliches) Plädoyer, für die `skeptische Schule´, durch das Aufzeigen von Erkenntnis-folgen durch eben jene skeptische Tradition (so wie sie Popper beschreibt), und danach, meinen eigenen Schluss, durch das Benennen der dazugehörigen Referenzquelle unterstützen.
„Voltaires Appell an unsere intellektuelle Bescheidenheit und vor allem sein Appell an unsere intellektuelle Redlichkeit hat zu seiner Zeit großen Eindruck auf die Intellektuellen gemacht. Ich möchte diesen Appell hier erneuern.“
[AdV.: Voltaires eigene Zeit, ist auch Humes eigene Zeit, und alle beide reiben sich dabei an Erasmus, Montaigne, und Locke; des Weiteren sagt uns Popper dass dieser Appell, zu seiner eigenen Zeit, also der von Karl Popper selbst (1981/82), noch genauso wertvoll und gültig ist wie es 250 Jahre zuvor der Fall gewesen war.]
Quellennachweis:
Popper K.R. (1981/82) „Duldsamkeit und intellektuelle Verantwortlichkeit – gestohlen von Xenophanes und Voltaire“, ed. Popper K.R. (2006) „Auf der Suche nach einer besseren Welt – Aufsätze aus dreissig Jahren“, Verlag: Piper GmbH, München; Kap. III, Aufsatznr. 14, S. 213.
III. Meine dritte Kritik an Hume: – Er tritt dem Vorwurf seiner Zeit, dass er als Verfasser die Grundlagen der Moral zerstöre, nicht energisch genug entgegen; v.a. streicht er dabei viel zu wenig heraus, dass die zentrale Triebfeder seiner Moral eine `von ihm selbst entwickelte´ Tugendlehre ist (abgestützt auf seine zwei `künstlichen (somit erlernbaren) Kardinaltugenden´: 1. `Gerechtigkeit, und 2. Gesetzestreue´; und auf seine beiden `natürlichen (also veranlagten) Tugenden´, 3. `Mitgefühl´ und 4. `Wohlwollen´). => Diese von ihm selbst entwickelte Tugendlehre, ordnet sich hinsichtlich der inhärenten Sittlichkeitskriterien der bereits bestehenden (Gesellschafts-)Vertragstheorie unter. => Also nur dort als Moral selbst eingreift (durch den intersubjektiven Sittlichkeitsimperativ), wo das bereits `vorhandene´ gesatzte Recht und die geltenden Gesetze (governmental command) nicht ausreichend sind (er begründet also, mit seiner eigenen Moral überpositives Recht).
Erläuterungsbeispiele zu den drei kritischen Thesen.
III.1. Erst der Gesellschaftsvertrag:
„Der Autor hat weiterhin ausdrücklich erklärt, dass es nicht seine Meinung sei, die Menschen seien außerhalb der Gesellschaft nicht verpflichtet, Verträge zu halten, sondern nur, dass sie, gäbe es keine Gesellschaft, niemals Verträge geschlossen und auch den Sinn solcher Handlungen nicht verstanden hätten.“
III.1.1. Er stellt fest, es gibt bereits einen Gesellschaftsvertrag.
III.1.2. Ohne diese bereits bestehende Rechtssicherheit würden, nach seiner Ansicht, gar keine Verträge geschlossen oder zumindest, der Sinn von `solchen´ formellen Vertragsvereinbarungen nicht verstanden.
III.1.3. Er stellt an sich selbst `hypothetisch´ die Frage: „Was wäre wenn es keinen Gesellschaftsvertrag und somit, auch keine administrative Rechtsverfolgung, für evtl. begangene Vertragsbrüche gäbe?“
III.1.4. Dann sind abgeschlossene Verträge trotzdem einzuhalten, da diese vertragsgültig miteinander vereinbarten Übereinkünfte, für jeden der daran Beteiligten ein wechselseitig abgegebenes Versprechen darstellen, und somit auch, eine intersubjektive `moralische Verpflichtung´ begründen (also nicht nur eine rechtliche Verpflichtung).
=> Sein erstes (Prüfungs-)Ergebnis in dieser, von ihm selbst getroffenen Moralabwägung und -Einordnung, für eine eigene „Tugendlehre, unter dem Dach der bestehenden Vertragstheorie“, lautet daher:
„Auch der oberflächlichste Leser muss sehen, dass, wie der Autor das Wort `moralisch´ gebraucht, nicht geleugnet wird, Versprechen verpflichten auch unabhängig von der Gesellschaft.“
[AdV.: In der Konklusion finden wir erneut, Humes bereits oben von mir kritisierte Polemik „Auch der oberflächlichste Leser…“, aber dennoch, ist seine Inhaltsaussage zu den Prinzipien seiner Moral klar und deutlich, denn das Wort `moralisch´, gebraucht er hierbei, um aufzuzeigen dass Versprechen auch unabhängig von der Gesellschaft verpflichtend sind. => Mit bestehendem Gesellschaftsvertrag, diskutiert er einen rechtswidrigen Vertragsbruch; und kontrafaktisch, also ohne den bestehenden Gesellschaftsvertrag, diskutiert er das Moralvergehen, dass sich aus dem Bruch des Versprechens ergibt.]
III.2. Als zweites strebe ich die Grobzeichnung seiner `Tugendethik´ an:
„Unter natürlichen Tugenden versteht er Mitleid und Großmut, also solche Tugenden, zu denen wir von Natur aus kommen. Künstliche Tugenden sind zum Beispiel Gerechtigkeit und Gesetzestreue, also solche Tugenden, die außer einer natürlichen Neigung zur Tugend auch die Erwägung der allgemeinen Interessen der menschlichen Gesellschaft erfordern und einen Handlungszusammenhang mit anderen Menschen voraussetzen.“
=> Mit seinem zweiten Prüfungsergebnis stellt er fest: „Es gibt `natürliche Tugenden´ und es gibt `künstliche Tugenden´, und die `künstlichen Tugenden´ werden durch die Gesellschaft konstituiert.“
[AdV.: 1. Gesetzestreue deshalb, weil das Erlassen von Gesetzen allein nicht ausreicht, wenn niemand bereit wäre, sich an diese Gesetze zu halten. => Hier besteht die moralische Verpflichtung (für Jedermann) in einer Bringschuld in Form der Gesetzestreue; 2. Gerechtigkeit deshalb, weil sein intersubjektiver und somit kommunikativer Moralansatz, von wechselseitigen (Verpflichtungs-)Verhältnissen ausgeht. => Das persönliche Einhalten von gegebenen Versprechen ist gerecht, weil ich selbst, ja auch möchte, dass die mir gegebenen Versprechen eingehalten werden und weil die Gesellschaft, insgesamt sich besser steht, wenn alle bereit sind ihre Versprechen einzuhalten (hier ist er sehr dicht an Immanuel Kant, der fragt: „Kann ich leichtfertig Lügen, oder meine Versprechen brechen?“ => „Nein, weil wenn das alle so machten, dann wäre die Welt ein schlechterer Ort, da niemand bereit ist die Wahrheit zu sagen, oder seine Versprechen einzuhalten. => Das nennt David Hume ein wechselseitiges (Verpflichtungs-)Verhältnis, denn ich verhalte mich (nach Hume) v.a. deshalb moralisch, weil ich selbst möchte, dass andere sich mir gegenüber auch moralisch verhalten. => Seine Moralgrundlage ist also eine faktische (reale) Intersubjektion, anstatt einer hypothetischen (imaginierten) Intersubjektion, wie es etwa bei Immanuel Kant, oder Adam Smith der Fall ist.]
III.3. Als drittes das Zusammenspiel zwischen der Sittlichkeit (reine moralische Imperative), und der von Hume deklarierten moralisch gebotenen Gesetzestreue (gemischte Imperative: „Moralischer Imperativ“ + „governmental command“ (eingeforderte Einhaltung von Regierungsbefehlen/Gesetzen):
„Ist denn nicht ausdrücklich gesagt worden, dass Gerechtigkeit eine, nun aber in einem anderen Sinne des Wortes: so natürliche Menschen-Tugend ist, dass keine Gesellschaft und auch kein Einzelner je gänzlich ohne Gerechtigkeitssinn gewesen sind? Manche sind (allerdings ohne Grund wie mir scheint) mit Mr. Hutchesons Philosophie nicht einverstanden, weil in ihr die Tugenden zu sehr auf Instinkt und Sinn und so wenig auf Vernunft und Reflexion gegründet sind. Also müssten sie eigentlich erfreut sein, dass in diesem Buch ein bedeutender Zweig moralischer Pflichten (Gerechtigkeit, und Gesetzestreue) auf das Prinzip einer erwägenden Vernunft gegründet wird.“
III.3.1. Er grenzt sich hier von Hutcheson und damit, auch, von der klassischen `Moral-Sense-Philosophie´ ab; – denn bei Hutcheson war der `Moral-Sense´ von Gott gewollt, und somit, von Geburt an als natürlicher Instinkt und Sinn angelegt; – bei David Hume hingegen entwickelt sich ein `Moral-Sense´, erst durch die persönlichen Erfahrungen, im Rahmen, oder entlang der Grenzen der bestehenden konstituierten Normen in der Gesellschaft.
III.3.2. Der sehr spezifische `Moral-Sense´ bei David Hume ist also nicht natürlich, sondern, er wird von uns erst im Laufe des eigenen Lebens erlernt, und zwar durch die persönlich gemachten Erfahrungen mit den konstituierten Normen der Gesellschaft, und den daraus abgeleiteten `moralischen´ Überzeugungen.
III.3.3. Der `Moral-Sense´ bei David Hume wird künstlich erworben (gelernt), da er sich `primär´ auf die beiden künstlichen Tugenden bezieht (Gerechtigkeit, und Gesetzestreue), aber er beurteilt bei David Hume die Moral nicht ganz allein und für sich, sondern, die bereits vorhandenen Erfahrungen (mit den Normen der Gesellschaft), steuern erst die `Moral-Reasons´ bei und durch das Zusammenwirken, dieser Beiden, entwickeln sich dann die Perzeptionen zweiter Stufe, die David Hume `Moral-Sentiments´ nennt.
=> Mit seinem dritten Prüfungsergebnis stellt er fest: „… , dass in diesem Buch ein bedeutender Zweig moralischer Pflichten (Gerechtigkeit, und Gesetzestreue) auf das Prinzip einer erwägenden Vernunft gegründet wird.“
[AdV.: Wie bereits gelegentlich aufgezeigt, ist `die Vernunft (eigentlich das `Understanding´, das ist eine der berühmten Übersetzungsungenauigkeiten, der Felix Meiner-Ausgaben), zwar die Sklavin der ungezügelten Leidenschaften (den strong, direkt, and rough passions)´, sie (die Vernunft) ist jedoch nicht `die Sklavin der moralisch urteilsfähigen Gefühle (calm passions)´, sondern diese `calm-passions´, werden erst durch das Prinzip einer erwägenden Vernunft (für moralische Pflichten, die abgestützt auf die beiden künstlichen Tugenden `Gerechtigkeit, und Gesetzestreue´ werden) veredelt zu den `Moral-Sentiments´, und diese, Formen zusammen mit der `idea of belief (mit der idealen Überzeugung)´ das endgültige Moralurteil (und zwar Erfahrungsabhängig). => Hier ist der größte Unterschied zu Immanuel Kant, denn die Vernunft ist bei David Hume nicht etwa veranlagt, sondern, sie wird erst im Laufe des eigenen Lebens erlernt.]
Gesamtfazit meiner Betrachtungen:
I. „Kann man David Hume mit einer einzigen Kategorisierung gerecht werden?“ => „Nein, kann man nicht.“
II. „Wieviel Kategorien braucht man, um ihn zutreffend (möglichst präzise) zu charakterisieren?“ => Ganz oben „Kontraktualist“, in der zweiten Stufe „Tugendethiker (Teleologe)“, in der dritten Stufe „Rationalist (moral-sentiments & idea of belief), in der vierten Stufe „Kognitivist (seine Moral ist konstituiert), und in der fünften Stufe „Kritischer Rationalist (gemäßigter, oder konstruktiver Skeptiker)“.
III. „Warum habe ich oben zugebilligt, David Hume fälschlich einen Non-kognitivisten zu nennen?“ => Ich wusste es zu diesem Zeitpunkt selbst noch nicht besser, und ich nehme, daher, angelehnt an die Entfaltung in diesem Beitrag das zuvor eingeräumte Zugeständnis zurück.“
Hallo Herr Dr. Noller, ich bitte sie diese beiden Beiträge zu `matchen´, die Programmroutine hat mitten im Schreiben abgesendet, ohne dass der Beitrag zu Ende formuliert war. Ich beginne mit der letzten Zeile, also mit dem Kriterium für Nonkognitismus (nach Christoph Lumer, „Enzyklopädie Philosophie Bd.1“, ed. Hans Jörg Sandkühler, Hamburg: Meiner 1999, S. 695-699).
Ethischer (Non-)Kognitivismus ist also: die These oder eine Theorie, die die These vertritt, dass moralische Fragen prinzipiell (nicht) rein kognitiv entscheidbar sind.
=> Damit ist das Kriterium gestellt, moralische Fragen müssen rein kognitiv entscheidbar sein, um als Kognitivistisch eingestuft zu werden.
=> Wenn aber, moralische Fragen nicht rein kognitiv entscheidbar sind, dann ist die so gekennzeichnete Sittlichkeitstheorie als `Nonkognitivistisch´ einzustufen.
Abgestützt (allein) auf dieses Kriterium, lautet das (Kategorien-)Urteil zu David Hume dann klar, zweifelsfrei und unmissverständlich: „David Hume ist/war Nonkognitivist“
Begründungsargumente Christoph Lumer:
1. „Humes Gesetz: Aus Aussagen über das Sein folgen keine über das Sollen.“
2. „Als Reaktion auf diese Schwierigkeiten entwickelten metaethische Nonkognitivismen alternative Hypothesen über die Bedeutung moralischer Sätze. Nach dem Emotivismus werden mit moralischen Sätzen Gefühle oder Einstellungen des Sprechers ausgedrückt (z.B. ‚x ist gut‘ = ‚Ich billige hiermit x‘ oder ‚Wie fein, daß x!‘); Vertreter: Hume, Russell, Ayer, Nowell-Smith, Gibbard.“
Eigene Begründung des Lumerschen Kriteriums, anhand David Humes Originaltext:
1. „Aus diesem [zweifellosen] Einfluss der Sittlichkeit auf unsere Handlungen und Neigungen nun folgt, dass dieselbe nicht aus der Vernunft hergeleitet werden kann, da ja die Vernunft allein, wie wir schon bewiesen haben, niemals einen solchen Einfluss haben kann. Die Sittlichkeit erregt Affekte und erzeugt und verhindert Handlungen. Die Vernunft allein aber ist hierzu ganz machtlos; die Sittenregeln sind folglich keine Ergebnisse unserer Vernunft.“ (S. 197 u./198 o.)
2. „Der Verlauf unserer Überlegungen führt uns zu dem Ergebnis, dass Tugend und Laster nicht durch die Vernunft allein, also nicht durch Vergleichung von Vorstellungen erkannt werden können, dass wir vielmehr vermittelst eines Eindrucks oder Gefühls, das sie erwecken, befähigt werden den Unterschied zwischen ihnen zu statuieren. Unsere Entscheidungen über das sittlich Richtige und sittlich verwerfliche sind zweifellos Perzeptionen; alle Perzeptionen oder Vorstellungen; sind also jene Unterscheidungen nicht der ersteren Art, so gehören sie notwendig zu letzteren Gattung. Sittlichkeit wird also vielmehr gefühlt als beurteilt.“ (S. 212 m.)
Die beiden vorgebrachten Gründe von Christoph Lumer; – 1. Humes Gesetz: „Kein Sollen, aus Sein“; – und 2. Emotivismus: „mit moralischen Sätzen werden Gefühle oder Einstellungen des Sprechers ausgedrückt“; – finde ich sehr schwach, nichts destotrotz, werde ich Lumers Kriterium mit den eigenen Gründen stützen, um in diesem Teil der Dialektik aufzuzeigen, dass wenn man das von Lumer genannte Kriterium für verbindlich und selbst erklärend hält, dass einem dann, kein anderes Urteil als: „David Hume ist/war Nonkognitivist“ übrig bleibt, möglich ist, oder begründet werden kann.
Das Kriterium von Lumer lautete: „Moralische Fragen müssen rein kognitiv entscheidbar sein, damit eine Theorie als `Kognitivistisch eingestuft werden darf, oder soll (also nur additiv kognitiv, wie etwa bei David Hume, reicht hierbei nicht aus um den `Kognitivismus-Status´ zu stützen).“
Meine beiden Argumente belegen das:
1. „Die Sittlichkeit erregt Affekte und erzeugt und verhindert Handlungen. Die Vernunft allein aber ist hierzu ganz machtlos; die Sittenregeln sind folglich keine Ergebnisse unserer Vernunft.“
2. „Sittlichkeit wird also vielmehr gefühlt als beurteilt.“
=> Die Vernunft kann es nicht allein! => => Nonkognitivismus.
=> Die Sittlichkeit wird vielmehr gefühlt als beurteilt! => => Nonkognitivismus (Emotivismusverdacht)
II. Wenn die Sache mit dem Nonkognitivismus bei David Hume so klar ist, warum gibt es dann, überhaupt noch widerstreitende Positionen in der wissenschaftlichen Philosophie?
=> Weil auch andere Kriterien für Kognitivsmus denk- und begründbar sind!
Eines davon werde ich kurz skizzieren:
Quelle: „Perspektiven der Analytischen Philosophie – Perspectives in Analytical Philosophy“, ed. Georg Meggle und Julian Nida-Rümelin, Band 1, Walter de Gruyter · Berlin · New York, 1994.
=> Die Konklusion von Prof. Dr. Nida-Rümelin, Aufsatztitel: „Ethischer Kognitivismus ohne Intuitionen“
„Wenn man diese Objektivitätsthese akzeptiert, bleiben zwei Varianten: schwacher und metaphysischer Objektivismus. Beide sind mit epistemischem Kohärentismus vereinbar und kommen daher ohne fundamentale moralische Intuitionen aus. Während der schwache Objektivismus über die Objektivitätsthese nicht hinausgeht, verknüpft der metaphysische Objektivismus diese These mit einer Korrespondenztheorie moralischer Wahrheit, was eine Welt theorien- und sprach-unabhängiger Tatsachen voraussetzt.
Fazit:
(1) Die nach wie vor verbreitete These, dass Kognitivismus und Non-Naturalismus zusammen ethischen Intuitionismus implizieren, ist nicht haltbar.
(2) Die Ersetzung des epistemischen Fundamentalismus in der Ethik durch einen epistemischen Kohärentismus erlaubt vier Typen nicht-naturalistischer und nicht-intuitionistischer, aber doch kognitivistischer Ethiken:
(i) Kontextualistischer Konstruktivismus;
(ii) Universalistischer Konstruktivismus;
(iii) Schwacher Objektivismus;
(iv) Metaphysischer Objektivismus;
Konklusion zur eigenen Haltung (II.):
A. In wieweit in der Ethik, die Gleichsetzung von, oder die Ersetzung des `Epistemischen Fundamentalismus´, durch den `Epistemischen Koheräntismus´, ein allgemein gültiges, oder ein mehrheitlich zugebilligtes Gemeingut ist, das kann ich nicht endgültig beurteilen.
B. Die Korrespondenztheorie moralischer Wahrheit wird intersubjektiv vereinbart (durch den Gesellschaftsvertrag), und durch Konstitution objektiviert.
Aber die Folgen daraus (A. + B. = wahr) sind offensichtlich:
Es gibt nach Nida-Rümelin, insgesamt vier Typen `Nicht-Naturalistischer´ und `Nicht-Intuitionistischer´ Ethiken, die allesamt, dennoch `Kognitivistische´ Ethiken darstellen.
=> Für die Beurteilung von David Hume, danach ob seine Ethik `kognitivistisch´ ist, brauchen wir nur die erste davon: (i) Kontextualistischer Konstruktivismus.
=> Klingt kompliziert heißt aber nix anderes, als dass der Kontext (der schriftlich abfasste Kontext) dann, wenn er als Konstrukt bereits allgemein anerkannt wurde (also eine konstituierte Verfassung darstellt), eine ontologische Realität, und damit auch ein konstituiertes (Objektivierungs-)Konstrukt darstellt.
=> An der Stelle ist die Frage, ob bei David Hume, die Sittlichkeit allein nur beurteilt (Vernunft), oder allein nur gefühlt (Sentiments), oder gar beides zusammen wird (idea of belief), ohne jeden Belang für die Kognitivismus-Frage, da der konstituierte Rahmen eindeutig kognitivistisch ist.
Für die komplette Diskussion:
I. Quellennachweis: Christoph Lumer, „Enzyklopädie Philosophie Bd.1“, ed. Hans Jörg Sandkühler, Hamburg: Meiner 1999, S. 695-699.
http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&cad=rja&uact=8&ved=0ahUKEwiJ6bvxjefQAhXDiSwKHWnuCh8QFgghMAA&url=http%3A%2F%2Fwww.lumer.info%2Fwp-content%2Fuploads%2F2012%2F04%2FA046.1_Lumer_KognitivismusNonkognitivismus_FinalMs.pdf&usg=AFQjCNH4vXOx7FhDwZX0OS3rDWpvT5v9og
II. „Perspektiven der Analytischen Philosophie – Perspectives in Analytical Philosophy“, ed. Georg Meggle und Julian Nida-Rümelin, Band 1, Walter de Gruyter · Berlin · New York, 1994.
https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=0ahUKEwjC7o6yqefQAhVIKywKHWmUCPoQFgghMAA&url=https%3A%2F%2Fepub.ub.uni-muenchen.de%2F5289%2F1%2F5289.pdf&usg=AFQjCNGKA3Dg3SDRu2ivEO6chI_fxh1d3Q&bvm=bv.141320020,d.bGg